Landesblinden- und -sehbehindertenverband Baden-Württemberg e.V.

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Bericht Fachgruppentagung - Sicherheitsvorkehrungen

Sicherheitsvorkehrungen, Schutz für Leib und Leben

Herr Wellte war vor seinem jetzigen Amt als Bürgermeister, bei der Polizei für die Ausbildung in Selbstverteidigung zuständig. Zunächst beleuchtete er in der Theorie die sozialen Betrachtungsweisen von Selbstverteidigung. Jeder Mensch vermittelt durch seine Körpersprache und –Haltung, bewusst oder unbewusst einen Eindruck bei seinem Gegenüber und erzielt daher je nach Stimmungslage eine Signalwirkung. Eine Person die sich bspw. unbehaglich fühlt, wird womöglich ein anderes Erscheinungsbild ausstrahlen als jemand, der sich momentan bester Laune erfreut. Der sehende Gegenüber weiß dies entsprechend einzuschätzen und ggf. darauf zu reagieren. Die Mimik und Gestik spielen bei der Kommunikation eine signifikante Rolle - gerade bei unserem Personenkreis ist es deshalb empfehlenswert, eine aufrechte Körperhaltung einzunehmen,, welche ein gewisses Selbstbewusstsein inszeniert.. Herr Welte gab uns nun Tipps mit auf den Weg, wie wir uns bei einem Übergriff verhalten können. Ein Täter sucht sich seine Opfer immer genauestens aus, in dem er sich an dessen Schwachstellen orientiert, um diese unter Kontrolle zu bringen. Stell Dir vor, lieber Leser, Du sitzt in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Plötzlich wirst Du von Deinem Nebensitzer in übler Weise verbal bedroht und beleidigt. Was unternimmst Du? Hier ist zu beachten, dass von vorne herein versucht werden sollte, die Fronten zu klären und, der Referent betonte es mit Nachdruck, gar nicht erst lange zu warten. "lass das gefälligst bleiben" oder "jetzt reichts", könnten evtl. die Situation entschärfen, sofern es laut und hörbar für die unmittelbare Zuhörerschaft vorgetragen wird. Wenn das "jetzt reichts", eben nicht reicht und Worte nichts nützen, so ist, bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen kann, der "Überraschungsschlag" zu versetzen. Hier kommt es nicht unbedingt auf die Stärke an, sondern auf die ungeheure Wirkung - der Kontrahent hat überhaupt nicht mit dieser plötzlichen Wendung gerechnet! Zusätzliches Schreien bewirkt, dass der angreifende dadurch die Aufmerksamkeit der Mitreisenden auf sich zieht, was er so gar nicht beabsichtigt hat. Herr Welte hat sich natürlich im Vorfeld Gedanken gemacht, wie er sein Spezialgebiet unserer non-visuellen Klientel nahebringen soll. Beim "Überraschungsschlag", der plötzlich und unvermittelt erfolgen muss, gibt es für uns einen Trick! Mit dem zusammengeklappten Blindenlangstock können wir kraftvolle Seitenhiebe verteilen oder dem Übeltäter auch mal einen schmerzhaften Schlag über die Rübe donnern. In einer praktischen Übung konnten wir nun, mit dem zur Waffe umfunktionierten Hilfsmittel, diese Verteidigungsstrategie am Kursleiter ausprobieren. Um jetzt kein Kopfkino eines Kursleiters mit blauen Flecken und gebrochener Nase zu entfachen sei erwähnt, dass dieser sich natürlich mit einem "Körperschutz" dagegen gewappnet hatte. Bei dem beschriebenen Vorgehen handelt es sich zudem um reine Notwehr; Diese ist im § 32 Strafgesetzbuch (STGB) geregelt und bedeutet in diesem Sinne eine erforderliche Verteidigung, um einen rechtswidrigen Angriff von sich selbst oder anderen abzuwenden. Anschließend ging der ehemalige Polizist auf weitere Schutzmaßnahmen ein: Es ist z. B. ratsam, in Bussen oder Zügen sich möglichst weit vorne zu platzieren - vor allem zu späteren Tageszeiten mit einer geringeren Fahrgastdichte. Ein Räuber wird uns somit eher nicht als potenziellen Kandidaten für einen Überfall aussuchen, da er die Gefahr von Augenzeugen umgehen möchte. Oberste Priorität hat jedoch bei einem Übergriff, wie bereits erwähnt, nicht lange zu überlegen. Herr Welte empfahl den Teilnehmenden daher, sich immer wieder solche Situationen auszumalen. Das Gehirn speichert diese gedanklichen Muster ab und greift im Ernstfall darauf zurück. Anmerkung des Verfassers: Herrn Welte ist es meiner Ansicht mehr als gelungen, dieses heikle Thema an unseren Personenkreis heranzutragen und Aufklärungsarbeit zu betreiben. Jedoch wage ich zu bezweifeln, ob die Praxis nach diesem Schema funktioniert. Ein visuell wahrnehmender kann stets aus der Distanz heraus agieren und somit auch ein Straftäter aus dem Hinterhalt, woraus sich ein klarer Nachteil für uns ergibt. Ich hoffe jedoch inständig, dass niemand von uns in eine solche Situation gerät.

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